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Nightwish – Imaginaerum

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Bei Bands sagt man gerne, dass das zweite Album immer das schwerste ist. Nightwish haben diese Hürde mit Bravour gemeistert, Oceanborn war um einiges besser als das Debüt und über die Jahre verbesserten sie sich stetig, bis alles nach dem 2004 erschienenen Album Once explodierte. Tarja Turunen wurde rausgeworfen, eine neue Sängerin wurde gesucht und Tuomas Holopainen, der zuvor auch schon Bassist Sami Vanska entfernte weil er nicht in sein Konzept passte, erinnerte mehr und mehr an einen Diktator. Eine neue Sängerin fang man und Anette Olzon nahm mit Nightwish Dark Passion Play auf, was auch nach all den Jahren immer noch wie eine B-Seiten Sammlung von Once klingt.
Ein paar Jahre verstrichen und Nightwish kündigten ein Großprojekt an. Warum sich nur mit einem Musikalbum begnügen, wenn man direkt noch einen Film machen kann? Nun kann man sagen, dass Musikgruppen es tunlichst vermeiden sollten, Filme zu produzieren und deren Soundtrack zu machen. Man denke an Trashwerke wie „KISS meets the Phantom of the Park“ oder kompletten Müll wie Cradle of Fear, der mittlerweile auch schon in Vergessenheit geratenen Metal Truppe Cradle of Filth. Imaginaerum, der Film kommt erst in diesem Jahr raus, das Album erschien bereits 2011. Man darf also gespannt sein was da filmisch noch kommt.

Dreizehn Songs und eine lange Spielzeit von 75 Minuten versprechen viel. Los geht es finnisch, mit Taikatalvi, der vierte Song den Nightwish in ihrer Landessprache veröffentlichen. Der Titel ist das fünfte Buch einer bekannten schwedisch-finnischen Comic- und Buchreihe von Tove Jansson, namens Moomin. Hierzulande kennt man es als Die Mumins. Taikatalvi kann man aber auch mit magischem Winter übersetzen. Frostig klingt das, bei Song Nummer zwei befinden wir uns aber schon wieder in typischen Nightwishgefilden. Storytime heißt der und entspricht dem typischem „Viel Orchester und Metal Sound“ den die Band seit spätestens Once richtig gut zelebriert. Catchy, durchaus radiotauglich und deshalb die erste Single. Klingt gut, macht Lust auf mehr und mehr folgt mit Ghost River, düsterer, hier darf sich Bassist Marco Hietala mit Olzon ein Duett liefern, das ein Duell zwischem dem Teufel und Gaia symbolisieren soll. Es klingt wie eine stark überdrehte Version von Planet Hell vom Once Album, gefällt mir aber sehr gut. Auf dem Cover des Albums sehen wir den Eingang zu einem Vergnügungspark und eine Achterbahn, wie diese verhält sich auch das Album, es folgt keiner klaren Linie sondern geht einem Extrem zum nächsten und nach Ghost River folgt mit „Slow, Love, Slow“ mal was völlig neues. Auch wenn es nicht absolut gelingt das Feeling einzufangen, hat man einen jazzigen Song vor sich, der an alte, verrauchte Jazzclubs erinnert. Ich musste beim ersten Mal zumindest an Jessica Rabbits Nightclubszene aus „Who framed Roger Rabbit“ denken. Es ist mal was gänzlich Neues für Nightwish und funktioniert überraschend gut.
„I want my Tears Back“ heißt es im Anschluss, als wolle die Band ihren Sound wieder haben. Der irische Dudelsack gibt dem ganzen zwar einen neuen Sound aber es ist wieder die Band wie man sie in den kommerzielleren Songs kennt. So ein bisschen erinnert es an I Wish i had an Angel von Once. Umso erstaunlicher, dass der Song bislang nicht als Single veröffentlicht wurde.
Auf der musikalischen Achterbahn geht es dann abwärts, Richtung Albtraum und Hölle. Scaretale hat Keyboarder und Songschreiber Tuomas Holopainen vom Text her mit Metallicas Enter Sandman verglichen, während es musikalisch trotzdem Nightwish ist. Toller Song, erinnert an die düsteren Songs aus der Vergangenheit mit einer eingängigeren Bridge und Chorus davor und nach der Hälfte wandelt es sich in ein obskures „HU HA“ Soundgemisch als wäre Dschinghis Khan vorbeigekommen und es ist irgendwie doch trashig aber gleichzeitig genial. Gibt es eine andere Band die Trash und völlig übertriebenem Gesang mitsamt Orchester so genial vermischen kann? Wohl zumindest nicht so gekonnt.  
Arabesque ist ein Instrumental, klingt sehr Soundtrackmäßig, tatsächlich auch arabisch angehaucht und passt so gar nicht in den bisherigen Songablauf, was nicht schlecht sein muss. Wir sind auf einer Achterbahn und die muss überraschend sein, sonst ist es langweilig. Tatsächlich wird es danach etwas konventioneller, aber nicht schlechter. Turn loose the Mermaids ist wieder etwas Folk-lastiger, während Rest Calm sehr mitsingtauglich ist, toller Song trotzdem. The Crow, the Dove and the Owl folgt diesem Song mit dem gleichen sehr zurückhaltenden Sound, Chorus zum Mitsingen und Hietala darf wieder clean singen, kein Gegrunze, wie man das sonst eher von ihm gewöhnt ist. Last Ride of the Day soll tatsächlich eine Achterbahnfahrt symbolisieren und klingt musikalisch wie Storytime, wieder mehr Metal und trotzdem eingängig. Song of Myself ist das mehrteilige epische Stück, das direkt fast 14 Minuten dauert und an vergangene Langsongs wie Beauty of the Beast erinnert, der Titel zeigt schon direkt, woher die textliche Inspiration kam: Song of Myself von Walt Whitman, einem der ganz großen amerikanischen Dichter. Zum Abschluss gibt es nochmal ein Instrumental, tatsächlich das erste Mal seit dem Debütalbum, das Nightwish direkt 2 Instrumentals aufbieten. Imaginaerum ist der Titelsong und folgt abermals dem „Wir brauchen ein Orchester, es soll episch klingen“ Schema. Wird wohl der Titelsong für den Film oder bei den Credits laufen.

Imaginaerum ist also ein Soundtrack zu einem Film, den wir bis dato noch nicht gesehen haben. Soundtracks funktionieren selten als Album zum alleine hören, meist merkt man, das die Songs oder Instrumentals mit Szenen verknüpft sind. Beispiele dafür sind etwa Totos Soundtrack für Dune oder Pink Floyds Soundtrack für den Film More. Nightwish zeigt, das es auch anders geht, zwar ist es musikalische eine Achterbahnfahrt durch Genres und klingt recht wild, aber Abwechslung ist immer positiv. So auch hier, während man bei Dark Passion Play noch eine sichere Nummer ging und eine neue, andersklingende Sängerin in ein altes Korsett zwängte, das dieser nicht passte, nahm man nun mehr Rücksicht und schon kann sich eine Stimme entfalten und ihren Beitrag leisten. Trotzdem hat man alte Stärken nicht vergessen.
Imaginaerum ist deshalb aus meiner Sicht ein überraschend starkes Album, das mutig genug für Neues ist, die Vergangenheit nicht leugnet und durch eine hochklassige Produktion überzeugt. Ein sehr tolles Album.

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